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Uckermark Festival 2025
Insel von Katinka

Martin Eberle | Fotografie
Nina Rhode | Sound & Installation
Martina Schmücker | Performance & Installation

Katinka Pilscheur & Kevin Stefan die BAR

Die Insel befindet sich am Wegesrand zwischen Pinnow und Fergitz, in der Nähe des Potzlower Seenblick.
Abbau 1, 17291 Oberuckersee

Sa 6. September 2025 12h-22h
So 7. September 2025 12-18h


Martin Eberle: Gottfried Benn, 2012 / 2025
Inkjet auf Gerüstbanner 3 x 4 m
Aus: Mein Berlin


Edition


"Um zu Ende zu kommen: Nachdem ich approbiert und promoviert hatte, kam ich als Militärarzt erst zum Infanterieregiment 64 nach Prenzlau, dem Regiment von Mars-la-Tour, dann zum 3. Pionier-Bataillon nach Spandau, dem Bataillon vom Übergang nach Alsen. Mit der Wafte hatte ich beim 2. Garderegiment zu Fuß gedient. Ich mußte jedoch schon im ersten Jahr meiner Dienstzeit wieder ausscheiden, da sich bei einer Korpsübung, bei der ich den ganzen Tag im Sattel sitzen mußte, ein angeborener Schaden herausstellte, der mich sowohl feld- wie garnisondienstunfähig machte. Ich nahm den Abschied. In diesem Jahr meiner aktiven Offizierszeit erschien mein erster Gedichtband: »Morgue«, bei Alfred Richard Meyer in Wilmersdorf, der im gleichen Jahr, 1912, Marinetti, Carossa, Lautensack mit ihren ersten Veröffentlichungen herausbrachte. Schon diese erste Gedichtsammlung brachte mir von seiten der Öffentlichkeit den Ruf eines brüchigen Roués ein, eines infernalischen Snobs und des typischen – heute des typischen jüdischen Mischlings, damals des typischen – Kaffechausliteraten, während ich auf den Kartoffelfeldern der Uckermark die Regimentsübungen mitmarschierte und in Döberitz beim Stab des Divisionskommandeurs im englischen Trab über die Kiefernhügel setzte. Ich nahm den Abschied und dachte, es sei für immer; ich sah nicht voraus, wie bald ich den Waffenrock mit den Äskulapstäben wieder würde anziehen und vier Jahre lang ununterbrochen würde tragen müssen: am 1. August 1914."

Gottfried Benn, Lebenswege eines Intellektuellen, in Doppelleben, München, 1967, S. 12
Erstveröffentlichung in: Kunst und Macht, Stuttgart-Berlin 1934.


Hier herrscht Angst und Schrecken in der Literatur. Die Verläge senden ihre anrüchigen Bücher nach Wien ins Depot und wissen von Nichts; die Autoren sitzen in Prag und im Ottakringer Bezirk und derwarten das Vorbeigehn der Episode. Was für Kinder! Was für Taube! Die Revolution ist da und die Geschichte spricht. Wer das nicht sieht, ist schwachsinnig. Nie wird der Individualismus in der alten Form, nie der alte ehrliche Sozialismus wiederkehren. Dies ist die neue Epoche des geschichtlichen Seins, über ihren Wert oder Unwert zu reden ist läppisch, sie ist da. Und wenn sie nach zwei Jahrzehnten vorüber ist, hinterlässt sie eine andre Menschheit, ein anderes Volk. Hierüber rede ich mir den Mund fusselig, die Links-leute wollen es nicht wahrhaben. Siehe oben: Kinder und Taube. – Leben Sie wohl, leber Egmont, Freund der Jugend. Wenn wir über 45 sind, ist der Spass vorbei für Manner unseres Geschlechts, man spürt noch eine Weile an seinem Kadaver rum, nimmt das ein, unterlässt jenes, aber im Wesentlichen sind wir fertig. Ein neues Geschlecht wächst heran, ein uns sehr fremdes, möge es sich eine glücklichere Geschichte, eine frohere Zeit, ein anständigeres Volk heranzüchten und bilden als wir es hatten. Wir wurden zu sehr von alten steifen Strebern geführt; diese wachsen arm heran, das wird ihr Glück sein und ihre Stärke.
Ich nehme sehr stark Abschied von mir und allem, aus dem wir wurden und das uns schön und lebenswert erschien. Ich schliesse mit dem meiner Verse, der mir der liebste ist und der tiefste erscheint, Ihnen ins Gästebuch:
»Leben ist Brückenschlagen über Ströme, die vergehn.«

Gottfried Benn an Egmont Seyerlen, 27.2.1933, Tag des Reichstagsbrandes


Ein Volk in der Masse ohne bestimmte Form des Geschmacks,
im ganzen unberuhrt von der moralischen und asthetischen Verfeinerung banachbarter Kulturländer, philosophisch von konfuser idealistischer Begrifflichkeit, prosaistisch dumpf und un-pointiert, ein Volk der Praxis mit dem – wie seine Entwicklung lehrt – alleinigen biologischen Ausweg zur Vergeistigung durch das Mittel der Romanisierung oder der Universalierung, läßt eine antisemitische Bewegung hoch, die ihm seine niedrigsten Ideale phraseologisch vorzaubert, nämlich Kleinbausiedlungen, darin subventionierten, durch Steuergesetze vergünstigten Geschlechtsverkehr; in der Küche selbstgezogenes Rapsöl, selbstbebrüteten Eierkuchen, Eigengraupen; am Leibe Heimatkurkeln, Gauflanell und als Kunst und Innenleben funkisch gegröhlte Sturmbannlieder. Darin erkennt sich ein Volk. Ein Turnreck im Garten und auf den Höhen Johannisfeuer – das ist der Vollgermane. Ein Schützenplatz und der zinnerne Humpen voll Bock, – das sei sein Element.
Und nun blicken sie fragend die gebildeten Nationen an und erwarten mit einer kindlich anmutenden Naivität deren bewunderndes Erstaunen.

Gottfried Benn, Kunst und Drittes Reich, Essays, 1941-1944


Der NS ist es, der einer Erweiterung der menschlichen Ordnung im Wege steht, er allein. Der bornierte Rassenwahn, das armselige Beschränken auf »Räume« u. Autarkie, das talmiwissenschaftliche Getue mit soziologischen u biologischen Themen, das allein hindert eine Vertiefung des Verantwortungsgefühls der europäischen Gemeinschaft. Der von allen gewusste u. gepflegte Mord, das bemäntelte Vertretertum, die gesetzlich gedeckte Ausblutung, Rechtsbrechung u. Schiebung im körperlichen Interesse einiger durch Waffen sich behauptender Gangster, das ist das Joch, unter dem der Erdteil knirscht u seufzt. Die 7 Plagen Ägyptens waren-Die NamSie, das sind die Frösche, die aus den Strömen u. Bächen Ägyptens kamen u die Stechmücken u. das Ungeziefer u die Blattern u die Pest, die alles schlagen u in die Hütten fliehn.
Selbst einen Mörder liefert ihnen ein anständiger Deutsche nicht aus, ein Erbkranker ist für ihn diesen Bestien gegenüber ein verpflichtendes Geschenk der Rasse.
aber auch die Namen
sie werden zerrissen werden, soweit
nicht durch Erbrochenes u Spucke er-
tränkt.

Fragment Deutsches Literaturarchiv Marburg


Weiterführende Kommentare
Cicero
literaturkritik.de von 2016


Der bei einem Besuch von Gottfried Benns Grabmal im Herbst 2012 belichtete, aber nicht entwickelte Rollfilm enthält latente Bilder dieser Situation. Beim Lesen der abgebildeten Filmbeschriftung steigen Vorstellungen und Bilder zu Benn auf, individuell und nicht vorhersehbar. Direkt kann die Fotografie keine vergangenen Gegebenheiten, historische Personen abbilden, wohl aber einen imaginären inneren Raum stützen in dem eine bildliche Auseinandersetzung stattfindet.

Philipp Reinfeld